Der Münchner Wirtschaftsspychologe und Coach Kishor Sridhar gab ein Krisen-Webinar speziell für Optiker. Foto: Kishor Sridhar

Wie startet man in eine Normalität, die nicht mehr dieselbe ist?Diese Frage beantwortete praktisch und optimistisch der Münchner Wirtschaftspsychologe und Coach Kishor Sridhar.

In einem Webinar der Rodenstock-Akademie gab er Experten-Tipps für Kommunikation und Krisen-Management speziell für Augenoptiker. OPTIC+VISION versammelt hier seine interessantesten Ideen.  

Praktische Tipps, Storytelling- und Marketing-Ideen, wie man nach dem Corona-Lockdown mit Kunden und Mitarbeitern umgeht: Das war das Webinar von Coach Kishor Sridhar

In erster Linie ging es darum, verdeckte Ängste aufzuspüren, zu kanalisieren und mit positiven Botschaften Vertrauen zu schaffen. „Wie bei einem Kartenspiel halten wir jetzt Karten in der Hand, die wir uns nicht ausgesucht haben. Deshalb müssen wir versuchen, das Beste daraus zu machen“, so Sridhar. Als wirtschaftspsychologischer Coach begleitet er Unternehmen durch Change-Prozesse und hat mehrere Management- und Motivationsratgeber geschrieben.

Vor allem Unsicherheit haben wir in den vergangenen Monaten erlebt – und sie wird uns weiter begleiten. Als Gesprächsstart bei einer Wiederbegegnung eignet sich deshalb Folgendes: „Lassen Sie uns über schöne Dinge sprechen. Was haben Sie Positives erlebt während des Lockdowns?“.

Hier nun die Tipps zur Krisen-Kommunikation in der richtigen Reihenfolge:

  • Wie kann ich für mich Normalität schaffen?

Wenn eine Krisensituation auftaucht, ist es am allerwichtigsten, selbst einen kühlen Kopf zu behalten und Informationen zu kanalisieren: Statt Sensationsnachrichten und Worstcase-Szenarien auf sich einprasseln zu lassen, sollte man sich auf das Wesentliche konzentrieren: Was muss ich als Geschäftsführer wissen? Welche Informationen sind jetzt relevant für meine Kunden und Mitarbeiter? So wird der Kopf frei für das Wesentliche.

Außerdem ist es hilfreich, seinen persönlichen Rhythmus und Alltagsrituale beizubehalten, die Sicherheit geben.

  • Fokus auf das Wichtige

Im Arbeitsalltag gibt es Dringliches (Dinge die erledigt werden müssen), nötige Routineaufgaben und Wichtiges. Wichtig ist, was das Geschäft voranbringt, aber oft liegenbleibt, weil Dringliches und Routineaufgaben dazwischenkommen. „Nutzen Sie die freie Zeit möglichst für das Wichtige“, rät Sridhar.

  • Besinne Dich auf Deine Stärken

Auftretende Probleme kann man am einfachsten mit den eigenen Stärken begegnen.Schreiben Sie drei Stärken auf, die Sie persönlich und ihr Geschäft auszeichnen.

Dann stellen Sie eine Liste möglicher Schmerzpunkte der Kunden und Mitarbeiter zusammen und schreibt daneben die Lösungen, die Sie anhand der vorhandenen Stärken anbieten können.

Einmal in Tabellenform gebracht, lassen sich die „Probleme“ schon besser überblicken. Die möglichen Lösungen im Blick zu haben, schafft ein Can-do-Mindset.

  • Emotionalen Druck abbauen

Wenn wir eine Situation nicht ändern können, ist das Reden darüber die beste Medizin! Kommunikation auf emotionaler Ebene holt Mitarbeiter und Kunden dort ab, wo sie stehen. Die stärkste Frage ist dabei nicht „Wie geht es Ihnen?“, weil diese rein technisch ist. Fragen Sie besser: „Wie fühlen Sie sich mit der Situation?“. Diese konkrete Frage bringt Menschen zum Reden und signalisiert Einfühlungsvermögen.

Wichtig zu wissen ist auch: Menschen reagieren in Angstsituationen auf drei unterschiedliche Arten. Möglich sind je nach Wesensart Aggression (energiegeladener Tatendrang), Resignation (gelähmtes Nichtstun) und Flucht (die sich in Unkonzentriertheit äußert, wenn man mental versucht, einer Situation zu entfliehen). Je nachdem, wie ein Mitarbeiter reagiert, macht es Sinn, ihm herausfordernde Aufgaben zu geben, falls er eine aggressive Reaktion zeigt, oder einfache Routine-Aufgaben.

Und natürlich sollte man in einem Moment, wo jeder von uns dünnhäutiger reagiert als sonst, tolerant sein und nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen.

  • Sätze, die Sicherheit geben

Neben einer klaren Kommunikation, was man für Hygiene-Maßnahmen durchführt, lohnt es sich auch, durch kurze eingestreute Sätze das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit zu erhöhen. Das können Fakten sein wie: „Unser Desinfektionsmittel beseitigt 99,9 Prozent aller Keime“ während man dem Kunden beim Hereinkommen die Hände desinfiziert. Oder eine Bemerkung wie „Wir Optiker sind ja Medizinhandwerker …“ Dies knüpft die Assoziation „ich bin hier bei Fachleuten gut aufgehoben.“

  • Wohlfühl-Oase vs. gedrückte Stimmung

Gerade jetzt sollte man das Geschäft in eine Wohlfühloase verwandeln, in der Menschen eine kleine Auszeit vom Alltag erleben können – und sei es nur durch Kleinigkeiten wie einen Blumenstrauß auf der Theke.

Außerdem sollte man starke Signale für den Neustart senden. Bei Marketing-Maßnahmen gilt es zu beachten, dass sich jetzt die Sehnsüchte, bzw. Schmerzpunkte der Kunden deutlich verschoben haben. Wer erfinderisch ist, kombiniert und kommuniziert vorhandene Angebote neu. Am einfachsten kann man den Hinweis auf eine 0%-Finanzierung für die Brille neu verpacken, Terminvereinbarung als Service anbieten, und online oder im Schaufenster Tipps kommunizieren, wie man sich derzeit auf den Besuch beim Optiker vorbereitet. So gibt man dem Kunden Sicherheit.

Richtig persönlich wird die Kundenbindung durch Spezialservices: Zum Beispiel die Brille nach Hause liefern, falls sich der Kunde nicht raustraut. Oder die Lieblingsbücher des Teams im Schaufenster oder auf Facebook präsentieren, um damit das Zuhause bleiben zu versüßen. Auch könnte man als Schwarzes Brett für Nachbarschaftshilfe in Erscheinung treten und sich der Bedürfnisse von Senioren und Familien annehmen – oder einfach positive Nachrichten aus der Umgebung eine Plattform geben, um der Sehnsucht nach Zusammenhalt und einer heilen Welt entgegenzukommen. Diese Aktionen lassen sich gut im Schaufenster, online und in der Lokalzeitung kommunizieren und sorgen mit Sicherheit für Sympathie.

Rodenstock-Webinare gaben Soforthilfe

Als kostenlose Krisenhilfe für seine Partneroptiker und weitere Interessierte veranstaltete Rodenstock im März und April eine ganze Reihe von Webinaren, die brennende Themen behandelten. Der Leiter der Rodenstock Akademie Johannes Schubart, zieht eine positive Bilanz: „An unseren Unterstützungs-Webinaren nahmen in Summe über tausend Augenoptiker teil. Wir haben gesehen, wie gut dieses Format und diese Initiative angenommen wurde und deshalb werden wir zukünftig neben den bestehenden Präsenzveranstaltungen und Inhouseseminaren  weitere Schulungsmaßnahmen online anbieten. Immer mit dem Ziel, unsere Partner auch in Zukunft mit einer Vielzahl an qualitativ hochwertigen Weiterbildungsinhalten bestmöglich zu unterstützen. Bei Herrn Sridhar möchten wir uns an dieser Stelle ebenfalls nochmal für seinen tollen Beitrag an unserer Initiative bedanken.“

Zur Person

Kishor Sridhar berät als Wirtschaftspsychologe und Coach Unternehmen in Change-Prozessen. Als er während des Lockdowns einen einsamen Optiker sah, kam ihm die Idee, sein Wissen speziell für die Augenoptik zur Verfügung zu stellen.

Er selbst wurde von der Krise inspiriert, die Online-Community „Virtual Runners“ zu gründen, die in Zukunft Wettläufe mit Ranking und echten Medaillen veranstaltet. So können Läufer auch trotz Socialdistancing einen sportlichen Wettkampf und motivierende Gemeinschaft erleben und dadurch Gelder für wohltätige Organisationen spenden sowie kleine, in Not geratene Betriebe und Manufakturen in Deutschland unterstützen. https://virtualrunners.de

Text von Rosemarie Frühauf