Foto: NASA

Mit der ersten Mondlandung vor 50 Jahren wurde ein Menschheitstraum Wirklichkeit: Das einst Unerreichbare war möglich geworden, als Astronaut Neil Armstrong als erster Mensch den Fuß auf die Mondoberfläche setzte und dort seine Spur im Staub hinterließ. Fotografiert wurde der historische Fußabdruck gestochen scharf von einer Hasselblad mit Zeiss Objektiv – der ersten Kamera auf dem Mond. Die Optik-Pioniere aus Oberkochen hatten für die NASA all ihre Expertise eingesetzt, um kontrastreichste und exakteste Bilder aus dem Weltraum zu ermöglichen. Das Zeiss Museum in Oberkochen feiert derzeit die Mondlandung mit einer faszinierenden Sonderausstellung.

Ein Nachbau der Kamera, die bei der Mondlandung zum Einsatz kam. Foto: R. Frühauf

Ein unscheinbarer Aluminium-Kasten, den man auf den ersten Blick für eine Filmkamera halten könnte: So sieht der Fotoapparat aus, der bei der ersten bemannten Mondlandung dabei war. Am 20.Juli 1969 benutzte das Team der Apollo 11-Mission auf der Mondoberfläche eine speziell ausgerüstete Hasselblad mit Zeiss Objektiv – und schoss damit die faszinierenden Bilder, die uns bis heute das Gefühl geben, es selbst miterlebt zu haben. In der aktuellen Ausstellung „Zeiss Moon 50“ zeigt das Zeiss Museum in Oberkochen eine Nachbildung der historischen Spezialkamera der Mondlandungen. Und auch eine kleine Contarex von Zeiss kann man dort sehen, die an einer Gasdruck-Pistole befestigt wurde und dadurch zu einem der ersten Fortbewegungs-Geräte in der Schwerelosigkeit wurde.

Wie Zeiss ins All flog
Die Reise von Zeiss Objektiven ins All hatte bereits 1962 begonnen: Astronaut Walter Schirra kaufte damals vor seinem ersten Flug mit der Mercury-Kapsel eine Kamera in einem ganz normalen Fotogeschäft in Houston. Es war eine Hasselblad 500C – ein Serienmodell mit dem Standardobjektiv Planar 2,8/80 mm von Zeiss. Sie war damals der einzige Alltagsgegenstand an Bord der Raumkapsel, der nicht extra für die Mission gefertigt worden war. NASA Ingenieure passten den Apparat lediglich ein bisschen für die Arbeitsbedingungen im All an: Die Lederverkleidung wurde entfernt und das Gehäuse mit schwarzer Farbe gestrichen, um Reflektionen zu verhindern, die beim Fotografieren durch die Fensterscheibe der Raumkapsel gestört hätten.
Mit dieser Kamera machte Schirra wunderbare und atemberaubende Aufnahmen von der Erde, die aber teilweise noch unscharf waren. Die NASA erkannte, dass Fotografie ein entscheidender Bestandteil künftiger Raumfahrten sein musste: Die Bilder würden nicht nur der wissenschaftlichen Dokumentation dienen, sondern durch ihre emotionale Wirkung der Menschheit vermitteln, dass die Mond-Missionen ihren enormen technischen und materiellen Aufwand Wert waren. Mit dem ersten Weltraumspaziergang der Amerikaner, der Mission Gemini 4, lösten die Bilder aus dem All immer mehr internationale Faszination aus.

Nachbau einer Contarex mit Gasdruckpistole, die zur Fortbewegung in der Schwerelosigkeit diente. Foto: R. Frühauf

Was die Kamera können musste
Also gründete die NASA eine spezielle Foto-Abteilung und begann, mit den Besten der Besten zusammenzuarbeiten. Hasselblad-Kameras mit Zeiss Objektiven wurden zur Standardausrüstung der Astronauten: Sie galten als die Spitze des damals Möglichen und wurden nun speziell angepasst. Sie mussten Backofentemperaturen von über 120 Grad Celsius in der Sonne, aber auch Eiseskälte von Minus 65 Grad Celsius im Schatten überstehen und dabei fehlerfrei ihren Dienst tun. Zudem musste am Gewicht jedes Gramm eingespart werden. Die entscheidende Frage war, diese Kameras an die Bedingungen der Raumfahrt anzupassen, um Pannen zu vermeiden. Kritischer als die Schwerelosigkeit war dabei die Belastung durch Vakuumumgebung, Strahlung und hohe Beschleunigung. So kam es dazu, dass die Objektive nicht vollständig beschichtet wurden, um ein Ausgasen zu verhindern; Schmierstoffe in beweglichen Teilen wurden soweit wie möglich durch Trockenschmierstoffe ersetzt.

Die Kamera musste bei 120 °C in der Sonne und – 65 °C im Schatten funktionieren.

Foto: NASA


Die Optik-Pioniere von Zeiss entwickelten in Rekordzeit ein Objektiv, das bei der bemannten Mondlandung zum Einsatz kommen sollte – es war das photogrammetrische Spezialobjektiv Biogon 5,6/60 mm. Es würde schärfste Aufnahmen bis an die Bildränder liefern und dabei helfen, die Mondoberfläche und ihre Objekte exakt zu analysieren – dank einer exakt positionierten Réseauplatte direkt vor dem Film, die auf jedem Bild ein Gitter von Kreuzmarkierungen hinterließ.
Eingebaut wurde das Objektiv in eine Hasselblad Data Camera. So entstand die wohl aufwendigste Point & Shoot Camera aller Zeiten. Sie hatte unter anderem ein reflektierendes Gehäuse, welches die Sonnenstrahlen von der starken Erwärmung und Abkühlung der Kamera abhielt und konnte direkt am Raumanzug vor der Brust befestigt werden. Jedes Filmmagazin war für 150 bis 200 Aufnahmen ausgelegt. Damit die Astronauten die Kameras mit ihren dicken Handschuhen bedienen konnten, gab es weitere Anpassungen: Die Blenden und die Fokusringe für die Schärfeneinstellung bekamen handliche Schieber. Der Auslöser war ein besonders großer Knopf und der Film wurde nach jedem Bild automatisch von einem Motor weiterbewegt, denn damals, im analogen Zeitalter, hätte man Filme noch per Hand kurbeln müssen.


Eine besondere Herausforderung war, dass die Astronauten während der Aufnahmen auf dem Mond ihre Helme mit Visieren trugen und keine Möglichkeit hatten, durch den Sucher zu blicken. Deshalb hatten die Apparate von vornherein keinen Sucher und die Astronauten trainierten vor der Mission intensiv das Fotografieren unter diesen besonderen Umständen. Damit keines der historischen Motive vergessen würden, gab es einen systematischen Plan. Sie hatten Checklisten auf ihren Ärmeln, die sie daran erinnerten: Den Fußabdruck fotografieren, sich gegenseitig fotografieren, die Landekapsel und das Equipment fotografieren, Krater und Panoramen. Auch Nahaufnahmen von Gesteinen und Bodenproben waren dabei. Das fotogrammetrische Kreuzgitter half den Astronauten zur Orientierung bei den geschwenkten Serienaufnahmen, die später zu Panorama-Bildern der Mondoberfläche zusammengefügt wurden.
Auf diese Weise entstanden während der sechs Mondlandungen zwischen 1969 und 1972 rund 30.000 Bilder. Vor einigen Jahren veröffentlichte die NASA diesen Schatz im Internet auf flickr. In der Zeiss-Ausstellung kann man einige rare Original-Dias sehen, welche von der NASA einst zu Zeiss gelangten.


Die NASA-Fotos der Mondmissionen online:
https://www.flickr.com/photos/projectapolloarchive/albums/

Der Ingenieur der Mond-Kamera
Wer steckte hinter der Entwicklung der Zeiss Objektive für die Raumfahrt? Vor allem Dr. Erhard Glatzel, der für viele Innovationen verantwortlich zeichnete. Bei Zeiss wurden mehr als 100 Objektiv-Designs unter Glatzels Leitung entwickelt, denn in den 60er Jahren war er leitendender Mathematiker der Foto-Abteilung in Oberkochen. Die von ihm konstruierten Objektive waren weltberühmt. Unter anderem realisierte er das Zeiss Hologon und das Zeiss Planar 0.7/50, welches im Jahr 1966 für den Einsatz in sehr dunklen Lichtverhältnissen entwickelt wurde. (Es ist so lichtstark, dass mit ihm 1973 bei der Produktion des Kinofilms „Barry Lyndon“ ganze Szenen bei reinem Kerzenlicht gedreht wurden und der erste Film ohne künstliches Licht entstand.)

Als Glatzel Anfang Oktober 1968 erfuhr , dass die NASA ein „dringend ein photogrammetrisches Weitwinkelobjektiv für die Hasselblad 500 EL mit Réseau ohne Verwendung des Spiegels“ wünsche, entwickelte er mit seinem Team die Daten zur Konstruktion und Fertigung des Mondobjektivs innerhalb kürzester Zeit. Schon am 21. November war die Optik-Rechnung abgeschlossen, was nur möglich war, weil Glatzel bereits damals einen der ersten Großrechner einsetzte, der ihm half , die Brechung der Lichtstrahlen an den Linsenflächen exakt zu berechnen und die Bildleistung systematisch zu optimieren. Im Februar 1969 waren die Prototypen fertig.

Legendäre Präzision
Was machte die Mond-Kamera so enorm präzise? Die hohe Präzision wurde durch die Wahl des ZEISS Objektivtyps Biogon erreicht. Da ein Sucher unnötig war, konnte auch der Spiegel der Spiegelreflex-Kamera entfallen. Dies erlaubte den Einsatz eines Biogon-Objektivs, das einen kurzen Abstand zur Bildebene benötigte: Anstelle des Spiegels konnte nun das Objektiv in das Gehäuse hereinragen. Durch seine symmetrische Bauweise ist das Biogon bekannt für eine exzellente Verzeichnungskorrektur. Glatzel korrigierte die Verzeichnung entsprechend des photogrammetrischen Verwendungszwecks auf einen sehr kleinen Wert von nur 0,008%. Zeiss entwickelte für die NASA weitere Weltraum-Objektive, darunter ein extrem lichtstarkes Objektiv mit hoher Apertur und ein experimentelles Objektiv, das Mond und Erde bei ultravioletter Strahlung abbildete. Die NASA ehrte Dr. Erhard Glatzel für seine Leistungen schließlich mit dem “Apollo Achievement Award“.

Zwölf Kameras schlummern bis heute am Mond
Von der legendären Kamera wurden übrigens nur 30 Exemplare angefertigt, wobei zwölf von ihnen auf dem Mond blieben: Man wollte bei der Rückkehr zur Erde Gewicht sparen und mehr Gesteinsproben mitnehmen. Die Astronauten der Apollo 17, der bis dato letzten bemannten Mission im Jahr 1972, legten die zwölfte Kamera schließlich absichtlich auf den staubigen Boden und richteten das Objektiv auf den Himmel. Denn würde in Zukunft ein Astronaut zum Landeplatz von Apollo 17 zurückkehren, könnte er anhand des Objektivs herausfinden, wie stark die kosmische Sonnenstrahlung und die Verwitterung dem Glas zugesetzt haben.

Die Sonderausstellung Zeiss Moon 50 ist noch bis zum Herbst 2019 im Zeiss Museum in Oberkochen zu sehen.

Foto: NASA

Text von Rosemarie Frühauf. Dieser Beitrag wird in der OPTIC+VISION Creative Edition im August 2019 erscheinen.