Neue Farben, Möbel, Umräumen: Das sind die Maßnahmen, die den meisten einfallen, wenn es darum geht, Verkaufsräume aufzufrischen. Dabei gibt es noch ein weiteres unsichtbares Mittel, das unsere Sinne direkt anspricht und für positive Stimmung sorgt. Wie das funktioniert, erklärt Hilde Montgomery im OPTIC+VISION-Interview. Sie ist Gründerin und Inhaberin der Münchner „Dufterei“.
O+V: Frau Montgomery, wie funktioniert eigentlich Duftmarketing?
Hilde Montgomery: Die Nase ist das einzige Sinnesorgan, das mit dem limbischen System verknüpft ist und dadurch unbestechlich ist. Sie kann nicht vom Logik und Verstand ausgeschaltet werden und deshalb fließt ihre Bewertung immer mit ein. Düfte werden ständig wahrgenommen und die Erinnerungen an sie tief in unserem emotionalen Gedächtnis verankert. Im Duftmarketing stellt man die Frage: Welche Düfte sorgen in einem Raum für positive Assoziationen? Gegebenenfalls greift man dabei die Inneneinrichtung auf.
Welche Düfte assoziieren Sie mit Optik?
Optik hat mit Klarheit und Präzision zu tun – und damit assoziiert man in Deutschland einen zitronigen Duft im Allgemeinen. Zitrische Düfte gehen in Richtung Klarheit und Struktur. Das passt, sobald Optiker sich sehr klar und schnörkellos mit der Inneneinrichtung ihres Ladens geben. Aktuell gibt es dazu noch einen gegenläufigen, weicheren Trend. Also muss man immer schauen, ob der Duft zum Interieur und zur Aussage des Ladens passt.
Vor Jahren habe ich Weihnachtsduft in einem Optik-Laden bemerkt.
Da erwähnen Sie den absoluten Klassiker. Weihnachten erlebt man als Kind als sehr heimelige Zeit, in der viele Dufterlebnisse parallel stattfinden. Vom Plätzchenbacken mit Oma bis zum Weihrauch in der Kirche. Nelken und Zimt und Orangen sind ganz klar das, was wir mit Weihnachten verbinden und alle unsere Kunden bestellen Weihnachtsduft, weil er so hervorragend funktioniert und positiv wirkt. Ich kenne nur einen Herrn aus der Optik, der Weihnachtsduft im Laden partout nicht mag. Und ich habe viele Optik-Kunden!
Was verwenden Ihre Optik-Kunden gerne ganz jährig?
Tatsächlich bleiben die meisten Optiker, die Duftmarketing anwenden, bei einem Duft, der ihnen gefallen hat. Gerne werden warme und holzige Noten verwendet, wie zum Beispiel ein Duft mit Feigen und Zedernholz. Sobald es Holzoberflächen im Laden gibt, kommt dieser Duft sehr gut an, weil er ein Gefühl von Wärme und Menschlichkeit unterstützt. Dass ein Duft zum Charakter des Ladens und zu dessen Besitzer passt, ist ganz wichtig. Denn er funktioniert ähnlich wie eine Hintergrundmusik, die man ja auch passend zum Gesamteindruck wählt.
Reden wir eigentlich gerade über bewusstes oder unbewusstes Duftmarketing?
Sobald der Kunde den Duft bewusst wahrnimmt, hat man zu dick aufgetragen. Duftmarketing wirkt unterschwellig. Ein Duft soll „wie ein Versprechen in der Luft liegen“. Und dies ist eben kein bewusstes Versprechen, sondern sehr dezent. Düfte sollen im Regelfall nicht aktiv stimulieren, sondern passiv empfangen werden.
Gibt es auch offensive Beispiele von Duftmarketing, die angenehm funktionieren?
Na klar. An Tankstellen zum Beispiel arbeiten wir viel mit Vanille-Karamell und dem Aroma von frisch gebackenen Madeleines und Kaffee-Duft. „Oh ja, ich muss noch einen Kaffee mitnehmen …“, denkt dann der Kunde auf dem Weg zum Bezahltresen. Die von Benzingeruch umgebene Tankstelle promotet damit ihren Coffee to go und die Süßigkeiten zum Mitnehmen. Denn Duftmarketing soll ja Umsatz schaffen.
In manchen Fällen macht es Sinn, einzelne Regale zu beduften, also am Point of Sale eine Extraportion Aufmerksamkeit zu wecken. Dafür gibt es Gel-Kartuschen, die den Duft direkt am entsprechenden Regal verströmen – wenn zum Beispiel Drogerien ihr Sortiment von Sonnenlotionen inszenieren möchten. Der typische Duft von Sonnenmilch weckt im Vorbeigehen die positive Erinnerung an Urlaub, Strand und Sonnenschein. Prinzipiell könnte das auch gut in einem Reisebüro funktionieren.
Oder bei einem Regal mit Sonnenbrillen …
Sie sehen, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, solange es harmoniert! Ein weiterer Duft, der gut ankommt ist ein Hauch von frischgemähtem Gras, der Frühlingsstimmung verbreitet. Es darf aber nie plump wirken, sondern soll einfach das Gefühl von Frühling im Kopf des Kunden auslösen. Das Negativ-Beispiel ist Abercrombie & Fitch. Das US-Modehaus wurde berühmt-berüchtigt für Duftwolken, gegen die sogar Fußgängerzonen-Anwohner protestierten. Dieser enorm intensive Duft wurde laut Insidern nur kreiert, um aufzufallen und den Parfum-Umsatz zu erhöhen, der auch tatsächlich durch die Decke ging. Zur Strategie der Shops hat es gepasst, denn dort war alles ins Extrem getrieben: Das Licht, die Musik – und eben auch der Duft.
Kann die Nase lernen?
Dazu gibt es interessante Thesen. Der Geruchsforscher Prof. Hans Hatt behauptet, dass die menschliche Nase ein unfassbares Potential hat, das die meisten von uns gar nicht nutzen. Ein normaler Mensch kann rund 10.000 Gerüche unterscheiden.
Foto / copyrigt: Alessandra Schellnegger
Wie sind Sie zum Duftmarketing gekommen?
Durch meinen Freundeskreis lernte ich Marcel Hetzel, den Gründer der Schweizer Firma Goodair kennen, der ein Spezialist für individuelle Corporate Smells ist. Daraus entstand dann eine Partnerschaft. Ich fand das Thema sehr spannend, weil ich wusste, dass Deutschland immer hinter herhinkt bei solchen Trends. Wenn man sich mal anschaut, wieviel strategischer Duft in Spanien, den USA und vielen lateinamerikanischen Ländern verwendet wird, dann ist Duftmarketing in Deutschland noch gar nicht richtig angekommen. Was den wenigsten bewusst ist: Es muss nicht teuer sein! Der Preis richtet sich nach der Technologie. Es ist aber keine Werbemaßnahme, die das Budget sprengt.
Bekommt man Duftmarketing nur im Abo?
Viele Anbieter machen das, aber ich habe mich bewusst dagegen entschieden. Ich verkaufe immer nur die jeweils nötige Kartusche und frage den Kunden per Erinnerungs-Mail, ob er Nachschub braucht. So kann er dann bestellen, wenn er wirklich Bedarf hat, denn der Verbrauch hängt von vielen Faktoren ab und ist nicht völlig gleichbleibend. Mein Ziel ist, dass meine Kunden Umsatzsteigerung erleben und die langfristige Bindung zu ihren eigenen Kunden intensivieren können.
Was ist der Unterschied zwischen professionellem Duftmarketing und einem Glas Riedstäbchen, das man sich mal eben in die Ecke stellt?
Das ist ganz klar die Feinjustierbarkeit der Geräte. Diffusoren müssen regulierbar sein, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Moderne Technologien sind sogar WLAN-gesteuert und perfekt für ganze Filialstrukturen geeignet. Man kann sie über das Internet von jedem Standort aus regeln. Wenn ich weiß, dass bei mir Samstag von zehn bis dreizehn Uhr Hochbetrieb herrscht und die Tür dauernd aufgeht, kann ich die Duftintensität einen Tick höher modulieren, als an einem normalen Dienstag, wo um neun Uhr niemand da ist. Das ist heutzutage eine ganz wichtige Anforderung. Hinzukommt, dass sich jeder Raum anders verhält und seine eigene Luftzirkulation hat. Denn es gibt keine Daumenregel. Wenn ich einem Kunden das Gerät und Duftproben zuschicke, findet er anhand meiner Tipps den perfekten Standort durch Ausprobieren. Spätestens nach drei Wochen hat er dann raus, wo das Gerät stehen muss.
Wie sieht ein Duftgerät für einen kleinen bis mittleren Laden aus?
Der kleine Scense sieht aus wie eine schwarze, runde Dose und beduftet 60 bis 65 Quadratmeter. Er misst nur 12 Zentimeter im Durchmesser und seine Gelkartusche hält drei bis vier Monate. Jedes Gerät braucht Stromversorgung, enthält einen Ventilator und hat ein diskretes Betriebsgeräusch, weil die Duftmoleküle ja angeschubst werden müssen, um auf ihre Reise durch den Raum zu gehen. Wir verwenden nur Produkte mit sehr kleinen Molekülstrukturen, die wirklich unsichtbar sind und rückstandslos verduften.
Was kostet eine professionelle Duftlösung?
Der kleine Scense kostet netto 129 Euro und eine Kartusche 45 Euro. Goodair und Aromaestro liegen in der Anschaffung bei 900 bis 1000 Euro netto und ihre Duftkartuschen bei rund 100 Euro. Diese großen Diffusor-Geräte sind jedoch für richtig große Areale wie Fitness-Studios und Hotels gedacht. Sie haben eine Reichweite bis zu 200 Quadratmetern.
Das Interview führte Rosemarie Frühauf. Es erscheint Anfang Juni in der OPTIC + VISION Edition 4, 2019.
Mehr unter: Dufterei.de